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Ein Papst mit mächtigen Feinden,

 

ein dunkles Geheimnis im I.O.R.,

 

ein Pakt mit dem Teufel.


 

"Herz der Hoffnung". 100 Millionen Euro liegen auf dem geheimnisvollen Stiftungskonto der Vatikanbank. Viele Jahre gab es niemanden, der es gewagt hätte, etwas zu unternehmen. Doch Jorge Mario Bergoglio, der Mann, der als Papst Franziskus aus dem Konklave kam, hat keine Angst vor den mächtigen Schatten in der Kurie. Als er auf Umwegen von der Aussage eines Priesters erfährt, der von einer direkten Verbindung der Vatikanbank zur kalabrischen Mafia, der 'Ndrangheta wissen will, zögert er nicht einen Moment. Er ruft eine kleine, handverlesene Kongregation ins Leben- eine Handvoll Leute, denen er vertraut und die der Sache nachgehen soll. Während Kathleen Wyler, eine ehemalige Harvard-Professorin, sich durch das veraltete System der Bank arbeitet, um dort Hinweise zu finden, folgen John Fiz Patrics Grabritter einer anderen Spur. Auch Marcus Kerner, der ehemalige Sonderermittler vom deutschen BKA ist an der Operation beteiligt.

Die Corvi im Vatikan erwachen.

Die kleine Kongregation ist zu einer großen Gefahr geworden- zu einem Stachel, der in ihrem Fleisch zu eitern beginnt. Fest entschlossen, ihn herauszureißen, schließen sie einen Pakt. 

Kurz darauf wird dem Papst und allen anderen auf grausame Weise vor Augen geführt, auf was sie sich eingelassen haben.

   

    Leseprobe

 

 


Prolog

 

  

 

Düster und bedrohlich wirkte die alte, von dichten Wäldern umgebene Benediktinerabtei in dieser Nacht. Die meterdicken Mauern ragten hoch in das fast mondlose, neblige Dunkel, über dem irgendwo der Himmel sein musste. Oder gab es den schon nicht mehr?

 

 

 

Bewegungslos stand der Abt zwischen den Säulen des Ganges, der zur Abteikirche führte und horchte angestrengt. Da war nichts mehr. Wie immer hörte er nur das leise, monotone Plätschern des Wassers, das sich aus den Köpfen der steinernen Statuen in seichtem Bogen in den unteren Ring des alten Brunnens ergoss - ansonsten nur Stille - eine seltsam unheilvolle, bedrückende Stille.

 

Der Abt schlug den Ärmel seiner Kutte zurück und warf einen Blick auf seine Uhr. Sie zeigte erst kurz nach halb vier, was bedeutete, dass er eigentlich noch fast eine ganze Stunde hätte schlafen können. Damit schien es nun vorbei zu sein. Langsam ging er vor bis zu der hüfthohen Brüstung, die den Säulengang vom Atrium abgrenzte und schaltete seine Taschenlampe ein. Der Lichtkegel wanderte hinüber zu der großen Brunnenschale, die genau in der Mitte des Atriums, auf den majestätischen Körpern von vier steinernen Löwen ruhte.

 

Von hier irgendwo musste das Ganze gekommen sein. Es waren laute Geräusche gewesen, die ihn aus dem Schlaf gerissen hatten - gefolgt von etwas, das sich angehört hatte, wie ein erstickter Schrei.

 

Eigentlich waren ja solche nächtlichen Schreie gar nichts so Ungewöhnliches. Die gab es in der Nähe der Abtei sogar des Öfteren. Meist handelte es sich bei dem Verursacher dann um irgendeine der vielen wild streunenden Katzen, die sich ständig in der Nähe herumtrieben und dabei auch oft lautstarke Revierkämpfe austrugen. Dieses Mal jedoch glaubte der Abt nicht, dass ihn der Schrei irgendeines Tieres geweckt hatte.

 

Am Abend zuvor war etwas passiert, das Anlass zu einer ganz anderen Vermutung gab. In der Krypta der Abtei hatte eine geheime Besprechung hoher Herren aus dem Vatikan stattgefunden, an der auch er selbst teilgenommen hatte und bei der es im Verlauf zu einem unseligen Zwischenfall gekommen war.

 

Zwar hatte er sich alle Mühe gegeben, die aufgebrachten Gemüter wieder zu beruhigen und die Angelegenheit herunterzuspielen, dennoch hatte er bereits befürchtet, dass die Sache nicht ohne Konsequenzen bleiben würde. Aber sollten sie wirklich so weit gegangen sein?

 

 

 

Vorsichtig kletterte er über die steinerne Brüstung und näherte sich dem Brunnen mit den wasserspeienden Löwenköpfen. Obwohl er fast jeden Tag ein Dutzend Mal hier vorbeikam und im Sommer sogar manchmal kurz hinübereilte, um aus der hohlen Hand schnell ein paar Schluck von dem köstlichen Quellwasser zu trinken, kam ihm der Ort plötzlich unheimlich vor.

 

Während er langsam um den Brunnen herumging, streifte der Schein seiner Lampe über die kleinen weißen Kieselsteine, die am Boden einen schmalen Saum um ihn herum bildeten. Bereits nach wenigen Schritten sah er es. Der Lichtkegel der Taschenlampe blieb abrupt stehen. Die weißen Steinchen, die ansonsten immer einen mit dem Rechen bearbeiteten, akkuraten Ring um den Brunnen herum bildeten, waren an einer Stelle vollkommen auseinandergetreten und lagen weit verstreut herum. Als er genauer hinsah, bemerkte er die zwei parallel laufenden Furchen, die sich hinüber zum angrenzenden Gras zogen. Es sah aus, als sei dort irgendetwas oder irgendjemand über den Boden vom Brunnen weggezogen worden. Ruckartig drehte der Abt sich um und leuchtete in die Richtung, in die die Spuren liefen. Er konnte es nicht genau erkennen, aber ein Stück weiter lag irgendetwas Dunkles im Gras. Er ging hin, bückte sich und richtete die Lampe darauf. Eine einzelne Sandale lag dort. Unverkennbar handelte es sich um eine der einfachen, braunen Büßer-Sandalen, wie sie fast alle Mönche im Kloster trugen. Er nahm sie aus dem Gras heraus und sah die kleinen, feucht und rötlich schimmernden Flecken auf einem der Riemen.

 

Kein Zweifel, das war Blut. Der Abt erschrak bis ins Mark. Er hatte sich also nicht getäuscht.  Das, was er gehört hatte, war der Schrei eines Menschen gewesen - der Hilfeschrei eines seiner Brüder. Er riss den Kopf hoch und sah hinüber zur anderen Seite des hufeisenförmigen Säulenganges, hinter dem der schmale Weg begann, der hinunter zum See führte. Der tiefe, dunkle See, dem die Abtei ihren Namen verdankte - 'Abbatia ad Lacum', die Abtei am See.

 

Eine schreckliche Vorahnung überkam ihn. Es war ein Gefühl, als würden tausend kleine Nadeln gleichzeitig in seinen Körper hineinstechen. Für Sekunden war er wie paralysiert. Dann sprang er plötzlich auf, raffte seine Kutte hoch und rannte zur gegenüberliegenden Seite des Atriums. Er kletterte zurück über die Brüstung, überquerte den Säulengang und folgte so schnell er konnte dem schmalen Weg - vorbei an einer Wiese und dann weiter, quer durch den Wald, der sich bis hinunter zum See erstreckte. 

 

Obwohl er nicht viel länger als fünf Minuten gebraucht hatte, kam es ihm vor wie eine Ewigkeit, bis der Wald sich endlich wieder lichtete und er das Ufer des Sees erreicht hatte. Es war die Stelle, wo sich auch der Anlegesteg und das kleine Bootshaus befanden. Unfähig, auch nur noch einen einzigen Schritt weiter zu machen, blieb er stehen und stützte die Hände auf die Knie. Er versuchte etwas zu hören, aber sein rasselnder Atem übertönte einfach alle Geräusche ringsum. Er brauchte ein Weile.

 

Nachdem er sich etwas erholt hatte und auch der stechende Schmerz in seiner Seite langsam nachließ, richtete er sich wieder auf. Mit der Taschenlampe in der Hand ging er hinüber zum Anlegesteg.

 

 

 

Ein einziger Blick genügte ihm. Eins der Boote fehlte. Verzweifelt presste er seine Handballen gegen die Schläfen, in denen er das dumpfe Pochen spürte.

 

»Raphael!, … Bruder Raphael!, … bist du hier irgendwo?« Ein paarmal hintereinander schrie der Abt den Namen laut über den See, der in dichtem Nebel vor ihm lag. Dann wartete er und lauschte. Es kam keine Antwort. Wieder war da nur diese bedrückende, unerträgliche Sille, die ihn umgab. »Großer Gott, bitte nicht!«, stieß er gequält hervor und verschränkte dabei die Finger der Hände so fest ineinander, dass er sie damit fast ausrenkte. »Das darfst du nicht zulassen, Herr. Nicht Bruder Raphael. Er ist doch…« Der Abt verstummte plötzlich. Es hörte sich an, als ob in gleichmäßigen Abständen Ruder ins Wasser tauchten, mit einem leisen Gurgeln wieder herausgezogen wurden, und dann erneut wieder eintauchten, um den nächsten Zug durch das Wasser zu tun. Die Geräusche kamen schnell näher. Er sah zu der Stelle, von wo er glaubte, dass sie kamen und versuchte etwas zu erkennen.

 

Aus einer weiß-grauen Nebelbank, direkt vor ihm, tauchte schemenhaft der hölzerne Bug eines Bootes auf. Im nächsten Moment wurde er vom gleißenden Licht einer Taschenlampe geblendet. Die zwei Männer, die in dem Boot saßen, hatten ihn bemerkt. Während einer der beiden mit der Lampe genau in sein Gesicht leuchtete und gerade aufspringen wollte, legte ihm der andere seine Hand auf den Arm. Er hatte den Abt erkannt und sah zu ihm herüber. »Bleiben Sie genau da stehen, wo Sie jetzt sind«, rief er mit gedämpfter Stimme.

 

Die Worte klangen vollkommen unaufgeregt, und doch hörte der Abt den warnenden Unterton, der darin mitschwang. Er deckte seine Augen gegen das grelle Licht ab und bewegte sich nicht. Ohne weitere Ruderschläge glitt das Boot die letzten Meter weiter bis zu dem hölzernen Steg. Der Mann, der eben gerufen hatte, nahm eine zusammengefaltete Kutte, die neben ihm auf der Ruderbank lag, und kletterte aus dem Boot. In aller Ruhe stand er da und richtete seine Soutane. »Sie sind sehr früh auf den Beinen«, sagte er schließlich und ließ sich von dem Mann im Boot die Taschenlampe geben. Er nahm sie und ging langsam auf den Abt zu. Direkt vor ihm blieb er stehen. Mit ausdruckslosem Gesicht blickte er auf die einzelne Sandale, die der Abt immer noch in seiner Hand hielt.

 

»Die hatte ich bereits vermisst«, sagte er kalt und streckte ihm die zusammengefaltete Kutte entgegen. »Die andere befindet sich hier drin. Wir haben ihn so zu Gott geschickt, wie er auf diese Welt kam. Lassen Sie die Kutte und die Sandalen einfach hier auf dem Steg liegen. Ein Badeunfall, wird es heißen. Sie haben doch selbst gesagt, wie tückisch die Strömungen in der Mitte des Sees sind.« Mit gequältem Blick sah der Abt in die tiefliegenden, dunklen Augen des Mannes. Ein Schauer lief über seinen Rücken. Mit zitternden Händen nahm er die Kutte. »Was habt ihr da bloß getan, Pater Marian? Wieso? Bruder Raphael hat in seinem ganzen Leben noch keiner Fliege etwas zuleide getan.

 

Er war keine Gefahr - für niemanden. Wer um Gottes willen konnte etwas so Abscheuliches und vollkommen Überflüssiges nur anordnen?«

 

»Was sollen diesen dummen Fragen?«, antwortete der Pater mit der ledernen Haut und den tiefliegenden Augen düster. »Das wissen Sie doch alles ganz genau. Ihr Bruder Raphael hat gestern in der Krypta Dinge gehört, die er nicht hätte hören dürfen und er hat Gesichter gesehen, die er nicht hätte sehen dürfen. Ein falsches Wort zu einem der anderen Mönche hätte bereits genügen können, um einen Stein ins Rollen zu bringen. Man hat sich entschieden, kein Risiko einzugehen.«

 

 

 

 

 

Die immer noch zitternden Hände des Abtes verkrallten sich in die alte Kutte. Fassungslos schüttelte er den Kopf starrte Pater Marian an. »Was redest du denn da? Selbst wenn Bruder Raphael etwas gehört oder gesehen haben sollte, … ihr habt ihn doch alle gesehen, oder nicht? Er hatte den Verstand eines Kindes. Egal, was er erzählt hätte, niemand hätte etwas darum gegeben. Ab und zu, wenn es keiner gemerkt hat, ist er nachts hinunter in die Krypta geschlichen und hat sich dort einfach zum Schlafen hinter den Altar gelegt - da wo man ihn nicht sofort sehen konnte. Jeder in der Abtei wusste, dass er das manchmal tat. Er war nichts als eine mitleiderregende Kreatur, die keine großen Erwartungen an ihr Leben hatte. Er liebte seine Arbeit in unserer Gärtnerei und er liebte unsere Krypta. Er hat immer gesagt, das dort unten sei der allerliebste Platz auf der Welt für ihn. Er sagte, … manchmal, wenn er ganz alleine wäre, käme ihn dort unten der Herrgott besuchen. Und so jemanden bringt ihr um, weil ihr eine Gefahr in ihm seht?«

 

Mit eisigem Blick sah Pater Marian den Abt an und schüttelte langsam den Kopf. »Oh nein, Abt«, sagte er leise. »Sie haben doch gerade eben selbst gesagt, dass Sie wussten, dass er sich manchmal dort unten herumgetrieben hat. Hätten Sie daran gedacht und nachgesehen, wäre er jetzt noch am Leben. Also haben Sie ihn auf dem Gewissen. Sie allein sind schuld daran, dass er sterben musste. Und jetzt will ich darüber keinen Ton mehr von Ihnen hören, … verstanden?«

 

 

 

Pater Marian drehte den Kopf zur Seite, wobei sein linkes, auffällig verwachsenes Ohr sichtbar wurde. »Das ist Tomàs, unser Novize«, sagte er und zeigte auf den zweiten Mann, der das Boot inzwischen vertäut hatte und nun ebenfalls auf dem Steg stand. »Komm her, Tomàs«, rief Pater Marian ihm zu. »Prälat Bernhard ist hier der Abt. Er gehört zu uns.« Der Pater mit dem verkrüppelten Ohr wandte sich wieder dem Abt zu und sah ihn mit durchdringendem Blick an. »Aber … vielleicht stimmt das ja nun nicht mehr?«, flüsterte er plötzlich mit eisiger Stimme. »Was meinen Sie, Abt? Sollte ich über diese Frage nachdenken?« Den Abt überkam ein mulmiges Gefühl.

 

»Was?, … also ich, … nein«, stotterte er.  »Ich war immer loyal, das wissen Sie genau! Also was soll das? Wollen Sie mir etwa Angst machen, Pater Marian?«

 

Mit angespanntem Gesichtsausdruck beobachtete der Abt die Gestalt in der schwarzen Kutte, die aus der Dunkelheit auf ihn zukam. Ihm wurde plötzlich klar, dass niemand ihn hören würde, sollte er schreien. Kein Mensch würde ihm hier zur Hilfe kommen. Man musste ihm keine Angst mehr machen, die hatte er bereits.

 

 

 

Die Gestalt kam langsam näher und der Abt konnte jetzt mehr von ihr erkennen. Seine Verkrampfung begann sich zu lösen. Irgendwie sah dieser junge Bursche vollkommen harmlos und ungefährlich aus. Irritiert und neugierig zugleich betrachtete der Abt das ebenmäßige Gesicht, das von hellblonden, schulterlangen Haaren eingerahmt wurde. Es war ein Gesicht, das bestimmt schon viele Mädchenherzen hatte höher schlagen lassen, und das irgendwie auch selbst etwas mädchenhaftes an sich hatte.

 

An seinem Kinn trug der Novize ein kleines Ziegenbärtchen. Zwar sah das Ganze eher wie zarter, feiner Flaum aus, aber es schien so, als sollte wenigstens dieses Bärtchen einen deutlichen Hinweis in die richtige Richtung geben. Eine fast liebevolle Sanftmut lag in seinen Augen. Diese rehbraunen, scheuen Augen. Der Abt war sprachlos. Nichts Böses lag darin - keine Arglist und kein Unrechtsbewusstsein. Sah so jemand aus, der gerade eben erst einen Mord begangen hatte?

 

 

 

»Er musste keine Schmerzen leiden«, sagte Tomàs und sah dem Abt dabei geradewegs in die Augen. »Wir haben es gnädig gemacht, so wie mein Meister es uns aufgetragen hat. Ich kann Sie trotzdem gut verstehen. Er war bestimmt ein guter Mensch und ich bin ebenfalls sehr betrübt über seinen Tod. Aber jetzt müssen wir uns keine Sorgen mehr um ihn machen. Bruder Raphael ist beim Vater, und der wird ihm sagen, dass wir keine andere Möglichkeit hatten. Und er wird ihm die Weisheit schenken, es zu verstehen. Ich werde später für ihn beten.« Tomàs senkte seinen Kopf. Mit einer demütigen Geste machte der blonde Novize einen Schritt rückwärts, drehte sich um und ging dann zum Ufer des Sees, um sich die Hände zu waschen.

 

Der Abt sah ihm nach. Die Worte des Novizen hatten jeden Zweifel beseitigt. Wie war so etwas nur möglich? Er hatte diese Augen gesehen und er hatte diese Stimme gehört - eine Stimme, die weich und voller Wärme war. Aufrichtig und mitfühlend hatte sie geklungen, und doch waren es furchtbare Dinge, die dieser Junge gerade gesagt hatte. Der Abt drehte den Kopf und sah zurück in die dunklen Augen von Pater Marian, die ihn immer noch argwöhnisch beobachteten. Auch wenn er noch nicht recht wusste, was er von dem seltsamen Blondschopf halten sollte, bei Pater Marian war er sicher, dass der nicht zögern würde, auch ihn umzubringen, falls er jetzt nicht mitspielen sollte. Ganz sicher hatte der unheimliche Vasall für einen solchen Fall bereits seine Befehle erhalten, und die würde er ohne Zweifel auch befolgen. Der Blick des Abtes verlor sich für einen Moment in den dichten Nebelschwaden, die über dem See lagen. »Gnädig?«, fragte er leise und lachte verzerrt. »Hat der Novize gerade gnädig gesagt? Jemanden wie einen Hund zu ersäufen, nennen die mächtigen Herren im Vatikan also gnädig.«

 

Er atmete tief durch und sah den Mann mit der ledernen, wettergegerbten Haut wieder an. »Keine Sorge, Pater Marian. Bitte glauben Sie mir, ich möchte nicht erleben, wie es denjenigen ergeht, die bei ihnen in Ungnade fallen.«

 

 

 

 

 

1

 

Die beiden Männer, die in der Suite des Fünf-Sterne-Hotels Rome Cavalieri zusammensaßen, sahen einander schweigend an. Gesagt war alles und sie waren sich in den entscheidenden Punkten durchaus einig geworden. Als Liebestreffen hätte man das Ganze dennoch kaum bezeichnen können, aber das hatte auch keiner der beiden erwartet. Um die Interessen durchzusetzen, die jeder von ihnen in bestimmte Richtungen hatte, war eine Zusammenarbeit nun einmal von großem Vorteil. Ja, man konnte fast sagen unabdingbar, und das wussten beide. Nur das zählte, und nicht irgendwelche Animositäten.

 

 

 

Obwohl ihr Erscheinungsbild auf den ersten Blick enorme Ähnlichkeiten aufwies, kamen sie aus vollkommen unterschiedlichen Welten. Beide einte jedoch, dass sie einen streng konservativen Blick auf die Dinge warfen. In ihrer Vorstellung von dieser Welt gab es eine feste Ordnung. Sie war unabänderlich und hierarchisch, und beide taten alles dafür, dass diese Ordnung beibehalten wurde. Immer wieder jedoch gab es Zeiten, in denen Kräfte auftauchten, die diese Ordnung störten. Meist waren es linke Spinner, die das taten, oder Träumer. Die Träumer waren in ihren Augen genauso gefährlich wie die linken Spinner - falls es da überhaupt einen Unterschied gab.

 

 

 

Beide Männer trugen unischwarze Einreiher, dunkle Hemden und blankpolierte, schwarze Schuhe. Fast hätte man den Eindruck gewinnen können, sie seien austauschbar. Ein kleines, auf den ersten Blick unscheinbares Detail jedoch, gab einen gravierenden Hinweis darauf, was die beiden unterschied. Während der ältere von ihnen - er ging fast auf die neunzig zu und hatte bereits auffällig viele Altersflecken in seinem Gesicht - eine dunkle Seidenkrawatte umgebunden hatte und ein Mann der Wirtschaft war, trug der andere ein Kollarhemd, das seine Zugehörigkeit zum Klerus nahelegte. Und genau so verhielt es sich. Der Mann in dem Kollarhemd mit dem kleinen weißen Stehkragen gehörte der römisch-katholischen Kirche an. Wobei angehören mit Blick auf seine Stellung zwar nicht falsch, aber schlichtweg untertrieben war. Er war Kardinal der römischen Kurie. Aber nicht irgendein Kardinal - davon gab es schließlich mehr als zweihundert -, ohne jeden Zweifel war er unter ihnen einer der mächtigsten und zugleich auch einer der gefürchtetsten - Kardinalsubdekan Angelo Scilaci- 'Subdecanus Sacri Collegii'. Er war der Mann direkt hinter dem Kardinaldekan, hinter dem 'Primus inter Pares', dem Ersten unter Gleichen. Eigentlich hätte man annehmen sollen, dass ein Mann in seiner Stellung und in seinem Alter keinen allzu großen Ehrgeiz mehr darauf verwenden würde, noch mehr zu erreichen. Es sei denn, vielleicht selbst noch Kardinaldekan zu werden.

 

Wer so dachte, der täuschte sich gewaltig. Sein größtes und allerletztes Ziel war ein ganz anderes, und bis zum heutigen Tag hatte er es nie aus den Augen verloren. Nun war es in greifbarer Nähe. Der Moment war gekommen, den höchsten Gipfel der Kirche zu besteigen - den Stuhl Petri. Viele der anderen Kardinäle waren sich seit langem sicher, dass er, der Achtundsiebzigjährige, der kommende Papst nach Johannes Paul II sein würde. Oft hatten sie es ihm gegenüber in Gesprächen durchklingen lassen oder sogar direkt ausgesprochen. Er selbst war sich dessen nicht so sicher. Er gab nicht viel um das schöne Gerede. Nicht, dass er an sich selbst oder seiner Berufung zu diesem Amt gezweifelt hätte, aber er wusste, dass er längst nicht so unumstritten war, wie man ihm oft vorgaukelte. Er hatte erbitterte Widersacher, sowohl innerhalb der Kurie als auch außerhalb. Nicht in aller Offenheit traten sie auf, das hätte kaum jemand gewagt, aber sie waren da und er wusste das. Gerade jetzt aber brauchte er Freunde.

 

Vor allem unter denjenigen Kardinälen, die mit ins nächste Konklave zogen. Mit Papst Johannes Paul II ging es zu Ende. Im ganzen Vatikan wurde bereits wild getuschelt.

 

Wer würde der neue Papst werden? Er galt als 'papabile', aber was bedeutete das schon? Wählbar war nicht gewählt! Viele vor ihm hatten sich ebenfalls schon einmal scheinbar berechtigte Hoffnung auf dieses Amt gemacht und waren hoch gehandelt worden. Am Ende waren sie bitter enttäuscht worden. In Rom gab es ein altes Sprichwort: Wer als Papst in das Konklave zieht, der kommt als Kardinal wieder heraus. Das sollte ihm nicht passieren. Einige von denen, die bei der Papstwahl ihre Stimme abgeben würden, hatte er bereits fest in seiner Hand. Ihre Anzahl reichte jedoch bei weitem nicht aus, um sicher sein zu können. Also war es vielleicht besser, sich ein paar zusätzliche Freunde zu sichern, die Einfluss hatten.

 

 

 

Das geeignetste Mittel, sich schnellstmöglich der Freundschaft einiger geeigneter Personen zu versichern, war ein ganz profanes. Es galt für die Wirtschaft genauso wie für die Kirche. Genügend Geld!

 

Schließlich wäre er auch nicht der Erste, der auf diese Art eine entsprechende Anzahl von Kardinälen vom rechten Weg überzeugte. Geld war universell. Man konnte alles damit machen. Man konnte direkte Zuwendungen an spezielle Kardinäle veranlassen, oder aber man konnte etwas für deren oder für die eigene Reputation tun - sich allgemein ins rechte Licht rücken. Zum Beispiel indem man dafür sorgte, dass Berichterstattungen in den Medien an exponierter Stelle zu finden waren und natürlich auch stets positiv ausfielen. Dazu musste man lediglich wissen, in welche Kanäle man das Geld zu pumpen hatte, oder aber man musste denjenigen etwas bieten, die so etwas für einen arrangieren konnten. Der alte Mann, der ihm gegenüber saß, hatte beides im Gepäck. Er verfügte über genügend Geld genauso wie über die nötigen Verbindungen.

 

 

 

Oberflächlich betrachtet konnte man nun vielleicht den Eindruck bekommen, es handele sich bei ihm einfach nur um einen der vielen 'Pezzonovante' Italiens. Von diesen 'ach so wichtigen Leuten' hatte man hier schließlich mehr als genug. Sicher, … darunter gab es durchaus auch einige, die sehr viel Geld und auch Einfluss hatten. Meistens jedoch handelte es sich um Leute, die nicht einmal halb so wichtig waren, wie sie sich selbst nahmen. Es wäre also ein Fehler gewesen, den alten Mann nicht von ihnen zu unterscheiden. Wer ihn genauer kannte, der wusste auch warum.

 

 

 

Wie kein anderer verkörperte Licio Espinosa, der alte Mann mit der biederen und unscheinbaren Fassade, eine wahrhaft große und dunkle Macht. Espinosa war der Kopf jener legendären 'Propaganda Due', der man so viele furchtbare Dinge in der Vergangenheit anlastete und die bereits in den 80er Jahren verboten wurde. Eine Propaganda Due, kurz P2 genannt, gab es also längst nicht mehr. Aber was bedeutete das schon? Allen, die näher damit befasst waren, war klar, dass es nichts bedeutete. Der Öffentlichkeit war nach unzähligen Prozessen vorgegaukelt worden, dass die Ordnung im Land wieder hergestellt sei. Was wirklich geschehen war? Ein Name hatte sich geändert, das war alles! Die mächtige Loge P2 bestand immer noch. Die Gesichter waren fast dieselben und oben an ihrer Spitze saß immer noch der alte Mann. Über Jahrzehnte hielt er nun schon die Macht in Händen. Viele hatte er in dieser Zeit kommen und wieder gehen sehen - er war immer noch da.

 

 

 

Nach Espinosas Eintritt in die Loge, im Jahr 1965, leitete er bereits 1969 all ihre Aktivitäten und daran hatte sich bis heute nichts geändert. Es gab kaum ein Verbrechen, dessen man ihn im Laufe der Jahre nicht schon bezichtigt hätte. Trotzdem genoss er nach wie vor seine Freiheit. Es war, als würde eine unsichtbare Macht ihre schützenden Hände über ihn halten. Es war allerdings eine sehr irdische Macht, die ihre Hände da im Spiel hatte. Espinosa hatte alle in seiner Tasche. Richter, Staatsanwälte, Abgeordnete, die Polizei und den Geheimdienst. Ein kleines, gut verstecktes Archiv in einem Betonbunker, einige Meter tief unter einem alten, schäbigen Haus in der Toskana, sicherte ihm eine fast vollkommene Immunität. Schon in jungen Jahren war er der Strategie eines J. Edgar Hoover gefolgt. Mittlerweile hatte er tausende von Akten angelegt. Das Archiv war seine Macht.

 

 

 

Nun saß er hier zusammen mit dem Kardinal, um eine weitere Tür für die Loge aufzustoßen. Riesige Geldmengen mussten ungehindert fließen können. Das wurde immer mehr zu einem Problem. Die Vatikanbank war die perfekte Lösung. Es gab so gut wie keine Einsichtnahme von außen, und auch für die Zukunft war davon auszugehen, dass dem Vatikan nicht sonderlich daran gelegen sein konnte, für Transparenz zu sorgen. Musste man bei einer solchen Sachlage nicht eigentlich davon ausgehen, dass die beiden Männer, die hier zusammensaßen, sich bestens verstanden, und dass ihre Begegnung in größter Harmonie hätte stattfinden müssen? Es war doch schließlich eine perfekte Symbiose. Genau das war es, und trotzdem mochten die beiden sich nicht sonderlich. Beide liebten die absolute Macht, und keiner von ihnen würde im Traum daran denken, sich dem anderen unterzuordnen. Während Kardinal Scilaci Espinosa ansah, dachte er an ein Zitat von Friedrich Schiller. Espinosa war für ihn der Mohr, und wenn der Mohr seine Schuldigkeit getan hatte,…

 

 

 

»Auf unsere Allianz«, brachte Espinosa einen Trinkspruch aus und erhob dabei sein Glas. Seine blass-blauen Augen lachten über den hauchdünnen Goldrand seiner Brille und erinnerten dabei an ein Reptil, das seine Beute fixiert. »Aber was sage ich, mein lieber Scilaci? In diesem Fall müsste es ja wohl heißen, auf unsere Heilige Allianz.

 

In Zukunft gibt es viel für uns zu tun. Was wir bisher über die Bank des Vatikans leiten können, ist nichts weiter als 'Peanuts'. Unsere Geschäfte schreiben sich mit mehr als nur sechs Nullen, und wir expandieren stetig. Immense Summen müssen demnächst schnell und ungehindert in den europäischen Finanzmarkt gelangen können. Es geht um Milliarden, Scilaci, um viele Milliarden. Im Grunde genommen ist es ganz einfach. Sie verschaffen mir einen quasi offenen Zugang zur Bank, und im Gegenzug werde ich Sie, sowohl vor als auch nach Ihrer Wahl, mehr als großzügig unterstützen.

 

Es wird soviel Geld in ihre Kassen gespült werden, dass Sie glauben werden, das könne nur ein Traum sein. Was wollen Sie tun, Scilaci? Ein Bauwerk errichten, wie es nur wenige auf der Welt gibt -  wie seit Jahrhunderten keines mehr entstanden ist? Eine Kathedrale von solcher Größe und Schönheit, dass alle anderen Kirchen auf der Welt vor Neid erblassen? Warum nicht? Tun Sie es! Nichts wird für Sie unmöglich sein. Sie werden für immer in die Geschichte eingehen. Also, … trinken wir auf den Mann, der als nächstes den Fischerring tragen wird.«

 

 

 

Kardinal Scilaci senkte plötzlich seinen Blick und beobachtete einen Moment lang die feinen Perlen, die in dem Glas hochstiegen, das für ihn gedacht war. Mit einem plötzlichen Unbehagen strich er zwischen seinem Hals und dem weißen Stehkragen seines Kollarhemdes her. Was war das? Es kam ihm vor wie ein Warnsignal, das tief aus seinem Innersten kam. Zweifel stiegen in ihm hoch. Dieser alte Mann beherrschte sein Spiel. Würde er den 'Mohr' wirklich so leicht wieder loswerden? Hatten das nicht viele vor ihm ebenfalls gedacht, und waren dann eines Besseren belehrt worden? Schnell gebot er seinen Gedanken Einhalt. Es war kein Platz mehr für Zweifel. Er war bereits zu weit gegangen.

 

 

 

Langsam lehnte er sich zurück und faltete die Hände. Geduld musste er haben, nur etwas Geduld. Der Gedanke an eine Kathedrale gefiel ihm, aber Kathedralen wurden schließlich nicht über Nacht erbaut. Wenn erst der Tag gekommen war, an dem er sein Ziel erreicht hatte, würden alle Karten neu gemischt werden, und dann war er in einer Position, die es ihm erlauben würde, wieder auf Distanz zu Espinosa und seiner Loge zu gehen. Im Moment blieb ihm keine Wahl. Er musste  gute Miene zu einem ungeliebten Spiel machen. Mit einem angedeuteten Lächeln, das seine Reserviertheit jedoch kaum verbergen konnte, sah er Espinosa an.

 

»Tut mir leid«, sagte er ausweichend und fuhr dabei mit der Hand unter sein Jackett. »Sie wissen ja, … mein Magen! Aber trinken sie ruhig. Trinken Sie darauf, dass unsere Kirche wieder die Macht zurückerhält, die sie einst hatte. Zu einer Zeit, in der ein Alfredo Ottaviani im Heiligen Offizium noch dafür sorgte, dass die Ketzer ihre Zunge im Zaum hielten. Ihr Schaden wird es bestimmt nicht sein.

 

In Zukunft sollte es jedoch keine direkte Verbindung mehr zwischen uns geben. Das wäre zu gefährlich. Ich würde daher einen Verbindungsmann vorschlagen, der mir absolut ergeben ist und nicht im Fokus steht. Sein Name ist Poletti, … Monsignore Poletti. Er arbeitet in unserer Bank als Revisor, hat aber zur Zeit ein kleines Problem, das Sie für ihn aus der Welt schaffen könnten.« Während der Kardinal mit seinen Fingern in lapidarer Manier ein Zeichen gab, dass es sich dabei lediglich um ein verpöntes, aber durchaus lästiges Geldproblem handelte, bekamen die blass-blauen Augen Espinosas einen eisigen Ausdruck.

 

 

 

Das Lächeln war verschwunden. Dabei war es nicht etwa das angesprochene 'kleine Problem', das ihm die Laune verdarb, sondern die Ouvertüre dazu. Er stellte sein Glas ab und breitete die Hände aus.

 

»Selbstverständlich, Eminenz«, sagte er mit beißender Stimme. »Jemand in Ihrer Position! Ein Mann der Kirche, … zusammen mit mir, … einem Freimaurer?! Ich weiß doch, wie sehr man das in ihren Reihen immer noch verurteilt. Und wenn dann ein solcher Kirchenmann diesen Freimaurer auch noch um seine Hilfe ersucht…

 

Um so bewundernswerter, dass ihr eigener Horizont um so viel weiter ist.«

 

Das Gesicht des Kardinals, das einer Bulldogge glich, lief rot an. Er hatte den Angriff verstanden. Nur sah er die Dinge naturgemäß etwas anders. »Freimaurer sagen Sie? Wir würden nicht hier sitzen, wenn ich Sie als solchen betrachten würde. Ich glaube, es gibt Leute, die würden Ihnen die Zunge herausschneiden, wenn Sie sich Ihnen gegenüber so bezeichnen würden, und die kommen nicht aus der Kirche.

 

Es ist doch wohl eine Tatsache, dass man Sie und die Angehörigen Ihrer Loge schon lange aus der Vereinigung der Freimaurer verbannt hat.« Der Kardinal lachte trocken. »Das sollte Sie jedoch nicht im Geringsten traurig stimmen, mein lieber Espinosa. Für uns beide eröffnet das einen Weg, und einem Haufen Kretins nicht mehr anzugehören, bietet ja nun auch wahrlich keinen Anlass zur Traurigkeit. Nicht umsonst wurden diese Freimaurer einst als Zerstörer der Christenheit verdammt und exkommuniziert. Durch die Blasphemie solcher Subjekte ist unsere Heilige Kirche doch erst in eine Krise geraten. Für diese Aufwiegler fallen mir übrigens ganz andere Sachen ein, als die Exkommunikation, aber so etwas darf ich natürlich nicht laut sagen. Unsere heutige Kirchenführung würde mir sonst gleich wieder den Vorwurf machen, ins tiefste Mittelalter zurückzufallen.«

 

Der Kardinal wischte ärgerlich mit seiner Hand durch die Luft. »Dabei sollten sich so manche von denen lieber einmal in Erinnerung rufen, was wir damals für eine Stellung hatten. Wir waren allmächtig. Über hunderte von Jahren haben wir das öffentliche Leben bestimmt. Alles hatte seine Ordnung.«

 

 

 

Die Augen des alten Mannes zogen sich langsam zusammen. Ein böses Funkeln erschien in ihnen. »Vorsicht!«, sagte er mit unüberhörbarem Zorn in seiner Stimme. »Sie sollten jetzt besser nicht mehr weiterreden, Scilaci. Wie mir scheint, habe ich da wohl in voreiliger Weise etwas ganz Elementares verdrängt, weil ich dachte…

 

Nun ja, … ich hatte wohl vergessen, dass es sich bei Ihrem Verein um die Erleuchteten handelt, die als einzige den Weg kennen, der zur Glückseligkeit führt. Nun, … vielleicht war es gut, dass Sie mich daran erinnert haben. Aber, … drauf geschissen, mein Lieber! Was wissen Sie schon von mir oder den Freimaurern? Glauben Sie wirklich, dass mich das Geschwafel des 'Grande Oriente d'Italia', dieser selbstherrlichen Großloge interessiert, die sich angemaßt hat, über mich und all die tapferen Patrioten der Propaganda Due zu urteilen? Ich möchte Ihnen etwas ans Herz legen. Lassen Sie uns lieber nicht über ein solches Thema streiten. Es könnte unsere Geschäfte sonst empfindlich stören. Wir haben eine Vereinbarung, Eminenz, und ich werde mich an unsere Abmachungen halten. Das Gleiche erwarte ich von Ihnen. Nicht mehr und nicht weniger.

 

Im Interesse unserer Sache sei es also, wie Sie es wünschen.«

 

 

 

Espinosa erhob sich langsam aus seinem Sessel. »Ich glaube, damit wäre vorerst alles gesagt. Ich werde noch heute zurück nach Arezzo reisen und von dort aus alles Notwendige veranlassen. Ich nehme kaum an, dass Sie von mir erwarten, dass ich die Gespräche in zweiter Ebene weiterführe. Daher werde ich als Erstes Ihrem Monsignore…

 

Wie sagten Sie, war der Name? Poletti? Nun, … wie dem auch sei. Ich werde ihm ein entsprechendes Pendant gegenüberstellen. Ich werde jemanden auswählen, der mir für diese Aufgabe geeignet erscheint und es sie dann wissen lassen. Derjenige wird dann meine Interessen vertreten und der Ansprechpartner für Ihren Monsignore sein.

 

Vielleicht haben Sie ja recht, Scilaci. Vielleicht ist ihre Idee gar nicht so schlecht. So können wir beide im Hintergrund bleiben, was wir doch eigentlich auch wollen.«

 

 

 

Espinosa war bereits auf dem Weg zur Tür, als er noch einmal den Kopf drehte und heiser lachte. »Auf Wiedersehen, Eminenz, und beten Sie ein bisschen. Beten Sie dafür, dass Ihr Heiliger Vater, Johannes Paul II bald den Weg ins Paradies antritt. Schließlich sind Sie und ich nicht mehr die Jüngsten. Sollten Sie allerdings feststellen, dass Ihr Beten nicht hilft, dann suchen Sie vielleicht nach einer geeigneten, steilen Treppe. Ich verspreche Ihnen, der Himmel wird sich nicht verdunkeln und es wird kein Blitz auf Sie niederfahren. Aber das wissen Sie ja. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Eminenz.«

 

 


 

 

  

 

 

 

 

 

Rom, heute

 

 

 

Anfang März 2014

 

 

 

Mit wilden Bewegungen versuchte Bernardo Rotolo sich zu befreien. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt und von einem Haken an der Wand spannte sich ein Seil zu seinen Füßen, die ein ganzes Stück weit über der Badewanne in der Luft hingen. Immer wieder schwappte durch die ruckartigen Bewegungen seines Körpers Wasser über den Rand der Wanne und landete platschend auf den Fliesen.

 

Trotzdem stieg der Wasserspiegel rasend schnell an. Mit lautem Rauschen schoss der dicke Strahl aus dem rostigen Hahn. Rotolos kompletter Brustkorb war bereits mit Wasser bedeckt und nur unter größter Anstrengung gelang es ihm bisher, seinen Kopf über der Wasseroberfläche zu halten. Fingerdick traten die Adern an seinem Hals hervor, das Gesicht war blau angelaufen. Immer wieder schrie er laut um Hilfe.

 

 

 

Noch vor wenigen Stunden hatte er hinter seinem Schreibtisch in der Bank gesessen und sich mit einem Kollegen zusammen selbst gefeiert. Die Quartalszahlen lagen weit über den Vorgaben und die für die Zukunft zu erwartenden Boni waren so hoch, dass er sich endlich die Fairline-Targa 43 kaufen konnte, hinter der er schon so lange her war. Ein Freund wollte die kleine Motoryacht verkaufen. Hundertfünfzigtausend, das war ein Schnäppchenpreis, und eigentlich sollte er gerade jetzt im Moment, zusammen mit seinem Freund, eine kleine Rundfahrt mit der 'Italien Star' machen. Die Yacht war vergessen - seine Boni auch, sowie auch alles andere, was er besaß. Es ging nur noch um eins: um das nackte Leben.

 

Mit jedem seiner Schreie drang jetzt Wasser in seinen Mund und seinen Hals. Eisiges Entsetzen packte ihn. Aus dem Schreien wurde ein gurgelndes Krächzen und Husten, und immer noch stieg das Wasser unaufhörlich weiter.

 

Dann war es soweit. Der Moment war gekommen, in dem sich der Wasserspiegel über seiner Nasenspitze endgültig schloss. Rotolo hielt die Luft an, immer noch krampfhaft bemüht, seinen Kopf irgendwie aus dem Wasser herauszubekommen. Es war unmöglich.

 

Einzelne Äderchen in seinen glasigen, weit aufgerissenen Augen begannen zu platzen, während sie aus dem Wasser heraus das verschwommene Gesicht über dem Wannenrand anstarrten. Er hielt es nicht mehr aus. Mit einem dumpfen Geräusch schlug sein Kopf gegen den Emailleboden der Wanne. "Atmen! Verdammt! Einmal die Lungen mit Luft füllen. Es musste einfach gehen." In Panik spannte er seine Nackenmuskeln an. "Jetzt!" Der Kopf machte eine ruckartige Bewegung nach oben und sein Mund öffnete sich. Tief drang das Wasser in seine Lungen und er fühlte einen brennenden Schmerz.

 

   

 

Der dunkel gekleidete Mann, der bisher wie unbeteiligt auf einem Stuhl direkt neben der Badewanne gesessen und dem Todeskampf zugesehen hatte, streckte langsam seinen Arm aus. Er drehte das Wasser ab und öffnete das Abflussventil.

 

Sekunden wurden zur Ewigkeit. Als Rotolos Kopf endlich wieder aus dem Wasser auftauchte, hatte er bereits ein weiteres Mal Wasser inhaliert. Er warf den Kopf hin und her und ein furchtbarer Hustenkrampf schüttelte seinen Körper durch. Unter Schmerzen brachte er nach und nach wenigstens soviel Wasser aus seiner Lunge heraus, dass er ansatzweise atmen konnte. Vollkommen erschöpft und am Ende seiner Kräfte sah er flehend den Mann an, der sich wieder auf seinem Stuhl zurückgelehnt hatte. »Bitte, ich tue alles, was ihr wollt, Silvio. Aber bitte lasst mich am Leben. Ich war immer für die Antenaris da. Ich habe getan, was immer ihr von mir verlangt habt.«

 

 

 

Mit unbewegter Miene saß der dunkel gekleidete Mann auf seinem Stuhl. Die grün-grauen Augen blieben vollkommen ausdruckslos. »Erzähl es endlich«, sagte er ruhig. »Erzähl es mir oder du stirbst.« Bernardo Rotolo schloss seine Augen und schluckte. »Enzo Caredi«, kam es leise aus ihm heraus. »Er hat ein zweites Konto bei uns, von dem ihr nichts wisst. Offiziell handelt es sich um das Konto einer Spendenorganisation. Das Geld kommt von der Vatikanbank und Caredi überweist es dann in gewissen Abständen auf verschiedene Konten in Panama. Hohe Summen. Das ist alles. Mehr weiß ich nicht.«

 

Der Mann im dunklen Anzug kratzte sich am Kinn. »Caredi also, wusste ich's doch! Und jetzt sag mir, wer uns den Brief geschickt hat, … denn du warst es ja wohl nicht.« Rotolo riss ungläubig die Augen auf. »Ein Brief? Was für ein Brief soll das gewesen sein? Ich weiß nichts von einem Brief.« Rotolos Unwissenheit war echt. Der Mann erkannte es sofort und winkte ab. »Nicht so wichtig. Sag Rotolo, wieso gibt es eigentlich Leute, die nie zufrieden sind. Du bist von uns gut bezahlt worden, und dann so etwas. Warum diese Geschäfte hinter unserem Rücken? Das war dumm.«

 

Bernardo Rotolo brach in Tränen aus. »Ich wollte das doch gar nicht. Du kennst doch Caredi ganz genau. Was hätte ich denn tun sollen? Er hat mich unter Druck gesetzt. Und jetzt? Wenn er erfährt, dass ich geplaudert habe, bin ich tot.«

 

Der Mann im dunklen Anzug stand von seinem Stuhl auf und stellte ihn ordentlich beiseite. Er sah hinab auf das jammernde Häufchen Elend und schüttelte langsam den Kopf. Dann lehnte er sich über die Wanne und griff wieder nach dem rostigen Wasserhahn. »Falsch, Rotolo, … ganz falsch! Die Sache mit dem Sterben, … die geht sehr viel schneller.«

 

 

 

 

                                          Ende der Leseprobe!

 

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